BORN TO BE WILD: NICOLA FORMICHETTI IM INTERVIEW

BORN TO BE WILD: NICOLA FORMICHETTI IM INTERVIEW

Nicola Formichetti ist die kreative Seele im Hause Diesel und verkörpert die neue Generation Mann im Fashion Business wie kein Zweiter: ein unkonventioneller und lässiger Macher. Ich traf ihn in seiner alten Heimat London und sprach mit ihm über Mode, seinen Werdegang und Werbung in der Porno Industrie.

Wann hast du deine Liebe zur Mode entdeckt?

Schon in der Schule wusste ich, dass ich im Mode-Bereich arbeiten will. Meine Eltern fanden das leider nicht so toll, also überlegte ich mir eine Ausrede, um von Italien nach London ziehen zu können.

Was hast du deinen Eltern erzählt, um grünes Licht für den Umzug nach London zu bekommen?

Dass ich dort Architektur studieren würde. Nach ein paar Wochen schmiss ich natürlich das Studium und verbrachte ungefähr drei, vier Jahre damit durch die Clubs zu ziehen. Als mir das Geld ausging, fing ich an, in einer Boutique in Soho zu arbeiten. Nach kurzer Zeit durfte ich den Einkauf machen und lernte namenhafte Leute aus der Modebranche kennen: Raf Simons, Hedi Slimane, John Galliano und viele mehr. Irgendwann besuchte uns Jefferson Hack, Chefredakteur der Trendgazette Dazed & Confused. Er mochte meinen Stil und bot mir eine Kolumne in seinem Magazin an.

Dort bist du dann fleißig die Karriereleiter hochgeklettert.

Ja, aus einer Seite wurden zwei. Aus zwei wurden sechs … Bis ich schlussendlich fest als Moderedakteur und Stylist arbeitete. Später wurde ich zum Fashion Director ernannt, kurz darauf zum Creative Director. Eine Karriere, die nicht geplant war. Sie ist mir einfach passiert. Am Ende war ich zehn Jahre bei Dazed & Confused.

 

Madonna, Cher, Bjork. Das waren die Powerfrauen, die mich beeindruckten.

 

Internationale Bekanntheit hast du mit der Zusammenarbeit mit Lady Gaga erhalten. Wie kam es dazu?

London hat mich irgendwann gelangweilt, also bin ich auf der Suche nach etwas Neuem nach New York gezogen. Ich wollte dort unbedingt Styling für Musiker machen. Madonna, Cher, Bjork. Das waren die Powerfrauen, die mich beeindruckten. Als ich das erste Mal Lady Gaga hörte und ihre Bilder sah, war mir klar: Ich muss mit ihr zusammenarbeiten! Ich kontaktierte sie, und wir verstanden uns auf Anhieb. Es waren vier aufregende Jahre mit ihr – und eine verrückte Achterbahnfahrt der Gefühle.

Wie ging es dir mit dem entstandenen Rummel um deine Person?

Anfangs war es hart, schließlich war ich immer die Person im Hintergrund. Ich hatte kein Interesse daran, berühmt zu sein. Zeitgleich startet der ganze Social Media Hype, wo jeder seine Meinung äußern konnte. Ich musste lernen mit Kritik umzugehen. Am Ende habe ich die positiven Seiten betrachtet. Leute schrieben mir, dass ich sie inspiriere. Ein schöneres Kompliment gibt es nicht.

Seit 2013 bist du Art Dirctor von Diesel. Erzählen uns von deiner Zusammenarbeit mit Diesel-Boss Renzo Rosso?

Ich lernte Renzo Rosso in Japan kennen. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete ich noch als Creative Director für Mugler in Paris. Noch so eine verrückte Geschichte in meinem Leben. Wie vorhin erwähnt, war ich anfangs Stylist und hatte keine Erfahrungen in punkto Zusammenarbeit mit einem traditionellen Modehaus. Doch ich liebte schon immer die Herausforderung und es war mir stets wichtig, die Art und Weise wie Leute innerhalb der Mode-Industrie denken, zu verändern. Deshalb nahm ich damals den Job bei Mugler sofort an.

Wie hast du es geschafft, das konventionelle Modesystem zu brechen?

Ich habe als Quereinsteiger und ohne modespezifische Ausbildung in der Modebranche Fuß fassen können, das ist eher ungewöhnlich. Und ich scheue auch nicht zurück, in allen Bereichen zu arbeiten. Ich bin sozusagen ein Allrounder. Damit habe ich sicher eine Lanze gebrochen.

 

Tinder beispielsweise. Du wischst wie ein Irrer auf deinem Handy und bist am Ende doch alleine!

 

Wie lautet dein Erfolgsformel?

Wenn du kreativ bist, kannst du alles erreichen!

Was war Stein des Anstoßes, um von Mugler zu Diesel zu wechseln?

Er bot mir an, mit ihm zusammen Diesel wieder imagemäßig zu dem zu machen, was es einmal war. Ich denke da an den Hype in den 90er Jahren. Dieses Gefühl wollen wir ins Hier und Jetzt transportieren.

Deine neue Werbekampagne scheint genau in diese Richtung zu gehen. Worum geht’s?

Wir wollen die digitale Kultur, die wir zugleich lieben und hassen, etwas auseinandernehmen. Tinder beispielsweise. Du wischst wie ein Irrer auf deinem Handy und bist am Ende doch alleine! Solche Szenen im Umgang mit Social Media sind in die Kampagne geflossen.

Da wir gerade über Social Media sprechen. Hast du eine Lieblingsapp?

Snapchat!

Neuerdings kann man auch auf Porno-Seiten Diesel-Werbung sehen. Wer hatte die Idee?

Ich! Wir machen eine digitale Kampagne und Pornoseiten sind die meist genutzten Seiten weltweit. Von daher war es naheliegend. Eigentlich verrückt, dass das vor uns noch niemand gemacht hat!

Wer ist Nicola Formichetti?

Nicola Formichetti wurde 1977  als Sohn einer japanischen Flugbegleiterin und eines italienischen Piloten in Tokio geboren, wuchs jedoch in Rom, Italien auf. Seine wichtigsten beruflichen Stationen:

  • 2005 Fashion bei Director Dazed & Confused
  • 2008 Creative Director bei Director Dazed & Confused
  • 2009 – 2012 Stylist von Lady Gaga
  • 2010 – 2013 Creative Director bei Mugler
  • 2013 – heute Art Director bei Diesel
AUTOR

Jean-Claude Mpassy

Alle Beiträge von: Jean-Claude Mpassy